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Offener Brief an den Botschafter der Ukraine anlässlich der Häufung romafeindlicher Gewalttaten und der Ermordung des 24-jährigen Dávid Papp beim Überfall auf eine Romasiedlung in Lemberg

02.07.2018

Etwa 80 Teilnehmer trafen sich am Mittwoch, 20. Juni 2018, vor der Botschaft der Ukraine in Berlin-Mitte, um auf die unhaltbare Situation der Roma in der Ukraine aufmerksam zu machen. Seit Ende Mai verübten Anhänger verschiedener rechtsextremer oder nationalistischer Gruppierungen mindestens fünf pogromähnliche Überfälle auf behelfsmäßige Siedlungen von Roma. Beim jüngsten der Vorfälle am 23. Juni wurde ein 24-jähriger, der aus Transkarpatien stammende Dávid Papp, durch Messerstiche getötet. Vier weitere Personen, darunter ein 10-jähriges Kind, erlitten ebenfalls Stichverletzungen. Die ukrainischen Behörden sind nicht in der Lage, die Sicherheit der Roma zu gewährleisten und die Täter von derart massiven Gewaltakten abzuhalten.

Am Ende der Kundgebung am 20. Juni warf Hamze Bytyci, Vorsitzender des Berliner RomaTrial e.V. und Mitglied des Berliner Landesvorstands von Die Linke, einen gemeinsam mit Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, verfassten offenen Brief an den ukrainischen Botschafter in den Botschaftsbriefkasten.  

Darin heißt es »Wir, die Unterzeichnenden, sehen es als unsere besondere Pflicht an, die deutsche und europäische Öffentlichkeit über die eskalierende Gewalt gegen Roma in der Ukraine zu informieren, und die zuständigen ukrainischen Organe dazu aufzurufen, den Betroffenen Gerechtigkeit zu Teil werden zu lassen. Während der deutschen Besatzung wurde etwa die Hälfte der ukrainischen Roma-Bevölkerung – schätzungsweise 9.000 Kinder, Frauen, Männer, ganze Familien und Gemeinschaften – erschossen. Diese Verbrechen erlegen uns eine besondere Verantwortung auf. Wir sind zutiefst erschüttert und beunruhigt, dass die ukrainischen Behörden den Roma keinen Schutz bieten. Jenseits der Aufklärung und Ahndung der bisherigen Gewalttaten durch die Polizei und Justiz müssten dringend Maßnahmen ergriffen werden, die die Sicherheit der Roma in der Ukraine gewährleisten. Die Aktivitäten von Gruppen, die offen rechtsextreme Ansichten vertreten, müssen sorgfältig beobachtet und unterbunden werden. Gerade in dieser zugespitzten und gefährlichen Situation bedürfen die Betroffenen der praktischen und moralischen Solidarität.« 44 Teilnehmende der Mahnwache unterzeichneten den Brief ebenfalls.

Am 21. April hatten Extremisten nahe der ukrainischen Hauptstadt gewaltsame, pogromartige Übergriffe gegen Roma verübt, 15 Familien, darunter Kleinkinder, aus ihrer notdürftigen Siedlung vertrieben, sie mit Steinen beworfen, mit Eisenstangen und Pffefferspray bedroht. Das Hab und Gut der Roma zündeten sie an. Der Anführer der ukrainischen rechtsextremen Gruppe »S14« prahlte auf Facebook mit Fotos der brennenden Unterkünfte. In der Nacht vom 9. auf den 10. Mai brannten etwa 30 maskierte Männer eine Roma-Siedlung bei Lemberg nieder. Am 22. Mai überfielen 20 – teils minderjährige – Personen mit Schusswaffen ein Roma-Lager (sieben Erwachsene und ungefähr 30 Kinder) bei Ternopil. Am 7. Juni zerstörten Angehörige der »Nationalbürgerwehr« im Holosiwskyi-Park in Kiew ein Romalager. Die Tat wurde gefilmt und auf Facebook übertragen. Soweit bekannt, ermittelt die Polizei wie auch bei den vorangegangen Angriffen auch hier wegen »groben Unfugs«.

Bereits nach dem ersten bekanntgewordenen Angriff am 21. April hatten Uwe Neumärker und Hamze Bytyci einen Brief an den ukrainischen Botschafter gerichtet. In seiner Antwort versicherte der Botschafter, solche Vorfälle seien für die Ukraine inakzeptabel und die Handlungen seien vom Innenminister bereits verurteilt wurden. Die Stiftung Denkmal hat ihm am 13. Juni erneut geschrieben, und die weiteren Angriffe beklagt. Die Antwort bleibt aus. Neumärker und Bytyci haben im Sommer 2015 das Bündnis für Solidarität mit den Sinti und Roma Europas ins Leben gerufen.

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Sarah Rosenau
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